Felix Jan Nitsch — Motivation in der Ideenumsetzung

Die Motivation des Teams sollte als zentraler Aspekt berücksichtigt werden!”

Felix Jan Nitsch, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Auf dem Weg von der Idee zur Umsetzung spielen viele Faktoren eine wichtige Rolle. Einer der wichtigsten zu Beginn ist, die Entscheidung zu treffen den Weg zu gehen. Die Sicherheit für die Entscheidung wird dabei beeinflusst von rationalen Faktoren aber auch menschlichen wie der eigenen Motivation und der emotionalen Bindung. Nicht immer lassen sich diese beiden Perspektiven in Einklang bringen. So kann die Motivation durch die Erkenntnis der damit einhergehenden Herausforderungen sinken. 
Im Gespräch mit Felix Jan Nitsch, M.Sc. am Institute of Experimental Psychology der Heinrich Heine University Düsseldorf möchten wir mehr über die Zusammenhänge zwischen Ideenumsetzung und langfristiger Motivation erfahren.

 

Pho­to­cre­d­its: Yan­nick Benavides

Eine Idee oder Vorhaben umzusetzen, unabhängig ob im privaten oder geschäftlichen Kontext, hängt meist sehr stark von der eigenen Motivation und Willensstärke ab. Herr Nitsch, aus Ihrer Forschung, wie gut ist der Mensch darin selbstständig die Motivation durch Willensstärke aufrecht zu erhalten?
Viele Faktoren erschweren es uns, Motivation dauerhaft aufrecht zu erhalten. Häufig müssen wir kurzfristige und langfristige Vorteile gegeneinander abwägen: Eine gute Gesundheit im Alter erfordert Sport und bewusste Ernährung, sowie Verzicht auf Genussmittel und Comfort Foods. Die Umsetzung eines innovativen, spannenden Projektes erfordert solides Frontend Homework. Neuere Studien belegen, dass die menschliche Fähigkeit dazu begrenzt ist. [1] Ohne Strategie scheitern viele Menschen und Teams daran Opportunitätskosten für langfristige Projekte aufzubringen. Dies zeigt sich sowohl im mangelnden Gesundheitsverhalten der Bevölkerung [2] als auch in suboptimalen Innovationsprozessen. [3]
 „Solides Frontend Homework“, was kann man sich unter der Formulierung genau vorstellen?
Frontend Homework meint zentrale Aufgaben, welche geleistet werden müssen, bevor Projekte in die Entwicklungsphase eintreten. Beispiele dafür sind ein Initialscreening der Projektidee, eine Marktstudie, die Prüfung der technischen Machbarkeit, das Einholen von Feedback der Zielgruppe, sowie eine finanzielle Analyse.
In den aktuellen Forschungen steht das Thema Pre-Commitment immer stärker im Vordergrund, können Sie den Ansatz dahinter kurz erläutern?
Pre-Commitment stellt eine wirksame alternative Strategie zur Umsetzung langfristiger Ziele dar. Der Gedanke dahinter ist simpel: Wenn wir wissen, dass unsere Willensstärke begrenzt ist, sollten wir Situationen meiden, in denen diese auf die Probe gestellt wird. Durch intelligente Antizipation schränken wir den Zugang zu kurzfristigen Opportunitäten ein, bevor diese unsere Entscheidungen beeinflussen können. Dies kann bedeuten direkt nach der Arbeit zum Sport zu fahren anstatt nach Hause, um die Versuchung, direkt auf der Couch vor dem Fernseher zu bleiben, zu vermeiden. Und auch Projektteams können durch strukturierte Prozesse, die frühzeitige Herausforderungen und Probleme antizipieren, verhindern, dass wichtige Etappen wie das Frontend Homework übersprungen werden.
In Bewertungsprozessen von Ideen treffen häufig rationale Ebene und emotionale Ebene aufeinander. Wie einleitend beschrieben, kann die Motivation negativ beeinflusst werden, wenn die Idee durch rationale Kriterien bewertet wird. Besteht die Möglichkeit hier frühzeitig die Motivation zu unterstützen und eine Art Pre-Commitment-Strategie einzusetzen und wie?
Die starke Motivation und Identifikation des Teams zu Beginn eines Projektes ist ein wichtiger Wirkmechanismus für eine erfolgreiche Umsetzung. Idealerweise sollte diese anfängliche Motivation genutzt werden, um möglichst konkrete und messbare Ziele zu definieren, die für das gesamte Team transparent sind. Potenzielle Hürden und Risiken sollten ebenfalls bereits hier antizipiert werden. So können Strategien und strukturierte Prozesse vereinbart werden, um diesen zu begegnen. Wichtig ist ebenfalls, dass diese Maßnahmen als Support-System zur Zielerreichung und nicht als bürokratische Einschränkungen verstanden werden.
Wichtig ist hier natürlich auch die Nachhaltigkeit. Wie kann man die Menschen, die für die Umsetzung verantwortlich sind, unterstützen, langfristig in der Umsetzung motiviert zu bleiben?
Eine weitere wirksame Strategie die Motivation für langfristige Ziele zu erhalten, ist sogenanntes Episodic Future Thinking, d.h. die möglichst konkrete Simulation zukünftiger Ereignisse. Je präziser und lebendiger die Zielvorstellungen sind, desto leichter fällt es diese zu verfolgen. [4] Eine wichtige Aufgabe besteht also in der transparenten und kontinuierlichen Kommunikation der Zielvorstellungen an die Menschen, die für die Umsetzung verantwortlich sind.
Der Schritt eine Idee real werden zu lassen bedeutet für mich…
…das gesamte Team an der Vision teilhaben zu lassen. Sobald die Zielvorstellungen für alle klar vor Augen sind, müssen diese in konkrete Schritte umgesetzt werden. Die Motivation des Teams sollte als zentraler Aspekt der Projektplanung berücksichtigt werden, denn am Ende werden Projekte von Menschen getragen!
Felix Jan Nitsch
Institut für Experimentelle Psychologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 
Felix Jan Nitsch, M.Sc. promoviert am Institut für Experimentelle Psychologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf unter Betreuung von Prof. Tobias Kalenscher. Seine Forschung beschäftigt sich mit der Modellierung und Vorhersage menschlicher Entscheidungen unter suboptimalen Bedingungen, wie Stress oder starkem Affekt. Im Vordergrund steht dabei das Konzept der Rationalität – d.h. inwiefern Ziele effizient und konsistent umgesetzt werden. Neben der Forschung ist Nitsch Mitgründer von NEURD, einem Netzwerk junger Wissenschaftler, welches sich für Austausch und Vernetzung in Nordrhein-Westfalen im Bereich computergestützte Neurowissenschaften einsetzt. Zudem ist Nitsch Gründer und Vorstand des Vereins EDUCAT Germany, einem Katalysator für Bildungsinitiativen in Entwicklungsländern.
[1] Bastien Blain, Guillaume Hollard, and Mathias Pessiglione, ‘Neural Mechanisms Underlying the Impact of Daylong Cognitive Work on Economic Decisions’, Proceedings of the National Academy of Sciences 113, no. 25 (21 June 2016): 6967–72, https://doi.org/10.1073/pnas.1520527113
[2] Bettina Studer et al., ‘Conquering the Inner Couch Potato: Precommitment Is an Effective Strategy to Enhance Motivation for Effortful Actions’, Philosophical Transactions of the Royal Society B: Biological Sciences 374, no. 1766 (18 February 2019): 20180131, https://doi.org/10.1098/rstb.2018.0131
[3] Robert G Cooper, ‘New Products: What Separates the Winners from the Losers and What Drives Success’, PDMA Handbook of New Product Development, 2013, 3–34.
[4] Daniel L. Schacter, Roland G. Benoit, and Karl K. Szpunar, ‘Episodic Future Thinking: Mechanisms and Functions’, Current Opinion in Behavioral Sciences 17 (October 2017): 41–50, https://doi.org/10.1016/j.cobeha.2017.06.002